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Infrastrukturen und Grenzgebiete


Das Gegenwissen kommt zurück. Im kommenden Frühjahr starten wir unsere neue Publikationsreihe «cache». Im ersten Band - Gegen|Wissen - geht es um die Rolle von Wissen in den sozialen Protestbewegungen der 1970er und 1980er Jahre. Einen kleinen Vorgeschmack kann man heute auf der Tagung «European Infrastructures and Transnational Protest Movements» in München bekommen – veranstaltet vom Deutschen Museum und dem Rachel Carson Center –, auf der Nils seine Forschungen zur Startbahn West-Bewegung, den Experten und Gegenexperten vorstellt.

Apropos Startbahn West: Vor kurzem ist ein Artikel zum Frankfurter Flughafen als ökologisches «Grenzgebiet» - borderland - erschienen, an dem neben Nils auch Martina Schlünder und Susanne Bauer mitgeschrieben haben. Da Martina auch beim «Gegenwissen» dabei sein wird, gibt es nicht nur eine personelle Überschneidung zwischen «cache» und dem Flughafenprojekt. Noch ein Gruppenprojekt also. Die Flughafengruppe hat bereits vor fünf Jahren damit begonnen, bei Feldforschungen am und rund um den Flughafen sowie in Archiven Materialien zur «nicht-menschlichen» Seite des Flughafens zu sammeln, etwa zum Tierterminal, das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet wurde und heute unter dem Namen «Animal Lounge» läuft; zum Flughafenförster, der für das Management der Grünbereiche zuständig ist; zu Natürschützer_innen und Ornithologen, die sich um den sogenannten «Vogelschlag» – also die Kollision von Vögeln und Flugzeugen – sorgen; zu den Hunden, die im Zoll eingesetzt werden …

Schwertwal am Flughafen, 1970s (Quelle: Fraport Archiv)

Bei näherem Hinsehen entpuppt sich die Infrastruktur «grüner», als man das gemeinhin denkt. In dem Artikel geht es darum, wie die Räume von Technik und Natur miteinander koordiniert werden, welches Wissen dafür nötig ist, wo die verschiedenen «Lebensbereiche» miteinander in Konflikt kommen. Zentral ist dabei der Begriff des «borderlining», den wir in Anlehnung an Gloria Anzaldúas Konzept der «Borderlands» entwickeln (deren gleichnamiges Buch im deutschsprachigen Raum viel zu wenig gelesen wird). Nicht-menschliche Akteure müssen, so könnte man mit Anzaldúa sagen, immer wieder «auf Linie» gebracht werden, um in der technischen Umwelt Flughafen zu funktionieren und zu überleben.

Wenn das interessiert, der sollte einen Blick in den Artikel werfen – er ist Open Access verfügbar. Und da in diesen Text nur ein Bruchteil des Materials einfließen konnte, das wir über die Jahre gesammelt haben, denken wir schon darüber nach, ob sich nicht daraus perspektivisch auch ein «cache» erstellen ließe. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Die Gruppenarbeiten gehen in jedem Fall weiter…

Schafe am Flughafen, 1930s (Quelle: Hessisches Wirtschaftsarchiv)