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Umwelt am Flughafen


Fridays for Future: Dank der globalen Initiative von Schüler_innen und Student_innen ist den vergangenen Monaten die Umweltfrage zurück ins Zentrum der politischen und gesellschaftlichen Debatte gerückt. Und damit auch der Luftverkehr, dessen einstiger Ruf als Inbegriff von Fortschritt und modernem Lebensstil stark gelitten hat („Flight Shaming is Now a Thing“, findet inzwischen sogar Forbes). Die Verbindung von Luftfahrt und Umwelt treibt uns aus historischer Perspektive schon länger um, etwa in unserem ersten Æther-Band zum Zürcher Flughafen oder in einem Gruppenprojekt zur Umweltgeschichte des Frankfurter Flughafens, an dem Nils zusammen mit Susanne Bauer (Oslo) und Martina Schlünder (Berlin) seit einiger Zeit arbeitet.

Darin geht es allerdings weniger um die „großen“ Umweltprobleme, die mit dem Luftverkehr zusammenhängen (Treibhausgase, Klimaerwärmung, Luftverschmutzung), sondern um die lokalen und regionalen Umwelten – hybrid ecologies –, in die der Luftverkehr seit Jahrzehnten ebenfalls eingreift. Besonders interessieren uns die „nicht-menschlichen“ Akteure am und rund um den Flughafen, also etwa Pflanzen und Tiere als Bewohner_innen der Infrastruktur (der Flughafen liegt mitten in einem artenreichen Stadtwald), Tiere als Passagiere im eigens eingerichteten Tierterminal („Animal Lounge“), oder Tiere als Angestellte des Flughafens (etwa als Spürhunde).

Planungsskizzen für die Schallschutzmauer

Diese Woche stand der Sound des Flughafens im Zentrum. In einem Vortrag am MPI für Wissenschaftsgeschichte in Berlin ging es um die Frage, inwieweit die politischen und sozialen Grenzen der Infrastruktur mit akustischen Grenzen korrelier(t)en – und wie sich diese Grenzen aus wissensgeschichtlicher Perspektive entwickelt haben. Man denke etwa an die Lautsprecherdurchsagen, mit denen die Passagiere durch das Terminal geleitet werden, oder die großen Lärmschutzwände, die am Flughafen in den 70er Jahren gegen die stetig zunehmende Lärmbelastung errichtet wurden. Im Vortrag selbst spielte das sogenannte „scaring“ eine wichtige Rolle: Seit den 1960er Jahren experimentieren Flughäfen damit, Vögel und andere Tiere durch Geräusche vom Flughafengelände fernzuhalten, um Kollisionen – im Fachjargon: Vogelschlag – zu vermeiden. Eine beliebte Technik, die von Mitarbeitern der Frankfurter Vogelschutzwarte und der Telefunken Gesellschaft entwickelt wurde, bestand darin, den Angstschrei bestimmter Vögel zu imitieren und per Lautsprecher abzuspielen. Seit dieser Zeit haben sich verschiedene pyroakustische und elektroakustische Verfahren zur „Vogelvergrämung“ etabliert, von denen in Deutschland viele erstmals in Frankfurt getestet wurden. Der Vortrag hatte den Zweck, über solche Beispiele das akustische „borderland“ des Flughafens genauer zu vermessen. Er lieferte uns aber auch viel Material, mit dem wir künftig weiterarbeiten werden: Ein Ziel des Projektes ist es, künftig eine Ausgabe von „cache“ zu bespielen.

Und apropos Klimastreik: Das MPI für Wissenschaftsgeschichte und das MPI für Bildungsforschung waren heute dem Aufruf der Schüler_innen gefolgt und es versammelten sich mehrere Dutzend Mitarbeiter_innen vor dem Brandenburger Tor. „Unite Behind Science“ – dieser Satz des gemeinsamen Plakats mag zwar so mancher Historikerin und manchem Historiker nicht so leicht über die Lippen gehen – zu groß waren dafür die historischen Verwicklungen von Wissenschaft, Totalitarismus und „militärisch-industriellem Komplex“ (womit wir wieder bei der Luftfahrt wären). Aber in der jetzigen gesellschaftlichen Lage ist dies vielleicht doch keine so schlechte Idee. Außerdem waren auf den Plakaten auch andere Wissensformen vertreten, mit denen sich die Wissenschaftsgeschichte schon länger beschäftigt, zum Beispiel „Respect indigenous knowledge“. Und für ein Thema sind wir ja alle Spezialist_innen, zumindest im Rückblick: „Be on the right side of history“ stand auf einem anderen Plakat.

MPIWG@FFF